Prolog
Dies ist die Geschichte eines Kampfes, des Kampfes des Guten gegen das Böse. Es ist die Geschichte einer Heldin, einer schönen und mutigen Kriegerin, einer Frau mit festen Überzeugungen, einer Revolutionärin, Umstürzerin von überkommenen Überlieferungen, Befreierin und Königin aller Unterdrückten. Es ist dies die Geschichte der (und merket euch den Namen gut!) Méliánnya Quir'ólunn. Ihr Ruhm strahlt weit über die Grenzen des Landes Óviolúlye hinaus, und jedermann bewundert und liebt die Schöne...
Doch genug der Vorrede, lest selbst über ihre Taten und fühlt euch emporgehoben in die ferne Welt der Zauberwälder und Burgen, der Drachen, Ritter und der Magie, der hohen Felszacken des Landes zwischen den Welten: Óviolúlye.
I.
Am Himmel türmten sich die Wolken schwarz und drohend. Blitze zuckten am Horizont. Der Wind pfiff um die Felsenspitzen und kämpfte sich brausend ins Tal hinab. Er blies ihr das schwarze Haar nach hinten und ließ den weiten braunen Umhang flattern. Von der Hüfte abwärts wehte der halb durchsichtige, grüne Rock, und sie stand, auf ihr Schwert gestützt, und schaute. Ein knappes, ledernes Oberteil bedeckte ihre Brüste, und doch fror sie im scharfen Bergwind.
Vor ihren funkelnden blauen Augen breitete sich die grüne Landschaft in die Unendlichkeit aus. Sie genoss den Frieden, den die grünen Hügel ausstrahlten - zu oft war Unfrieden im Land, und sie musste kämpfen, um Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Habgier die Macht über die Menschen zu entreißen.
Sie schauderte, richtete sich auf und steckte Cherákhur, ihr lichtglänzendes Schwert, in seine Scheide, um sich in den wollenen Mantel hüllen zu können. Sofort ließ sie ihn aber, vor Scham errötend, wieder lose um ihre Schultern wehen und blieb mit der Standhaftigkeit einer Frau im Wind stehen, die schon zu viele Lungenentzündungen erlebt hat, um sich noch davor zu fürchten.
Es war auch gut, dass ihre Schwäche nur diesen kurzen Moment gedauert hatte, denn in diesem Augenblick kam eine große, blauschwarz schillernde Krähe vom Tal her herangeflogen. Sie wusste bereits, dass es Sor'inn-Tílan war, bevor der Vogel in einem blauen Feuerball verschwand und gleich darauf der große Magier vor ihr stand, seinen langen, weißen Bart streichend und den alten Friedensgruß auf den Lippen: "Die Himmel mögen lassen ihr Licht scheinen auf Euch!"
Méliánnya verneigte sich höflich. "Auch mit Euch möge es allezeit sein!"
Sor'inn-Tílan schaute der Heldin mit ernstem Gesichtsausdruck direkt in die Augen. "Méliánnya", sagte er mit tiefer Stimme, "Ihr seid die Auserwählte."
Méliánnya stockte der Atem. Sie? Auserwählt? Das konnte doch gar nicht sein. Sie, die kleine Heldin, die doch erst drei Prophezeiungen erfüllt hatte und nur die zweitbeste Schwertkämpferin seit der Erschaffung Óviolúlyes war, von ihren geringen magischen Fähigkeiten ganz abgesehen...
"Großer Magier, Ihr müsst Euch irren - ich bin dieser Ehre unwürdig!" stammelte sie, während der Wind ihr die heißen Wangen kühlte und das Haar wie schwarze Flammen auseinanderwehte.
Der alte Mann schüttelte weise das Haupt. "Ich irre mich nie. Síh-Ay-éy selbst ist mir erschienen, um mir Eure Erwählung mitzuteilen. Ihr habt einen äußerst geheimen Auftrag zu erfüllen, von dem das Wohl und der Fortbestand unserer ganzen geliebten Welt abhängt."
Méliánnyas Schultern strafften sich. Sie legte die rechte Hand an das Heft ihres Lichtschwertes und streckte die linke zum Himmel aus. "So sei es denn! Was muss ich tun, um die Welt zu retten?"
Sor'inn-Tílan steckte die Hand in eine der nicht vorhandenen Taschen seines weiten Umhanges und holte ein in altes Leder gewickeltes Bündel hervor. "Nehmt dies", sagte er und reichte es der jungen Frau.
Vorsichtig schlug sie das vergammelte, aber selbstverständlich nach wie vor geschmeidige und wohlriechende Ledertuch auseinander. Als sie sah, was sich darin befand, weiteten sich ihre Augen. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet: ein großes Amulett lag vor ihr. In geschwärztes Silber voller uralter Symbole, Schnörkel und geheimnisvoller Runen war ein makelloser, riesiger Edelstein gefasst, der von innen heraus in einem blauen Licht zu glühen schien.
"Dies ist Áyvyny, das Amulett des Blaus. Nur wenige wissen von seiner Existenz, es ist für viele nur eine Legende. Aber Ihr seht, wie wirklich seine Magie ist. Ohne dieses Artefakt wäre blau nur blau. Ihr müsst es in die Große Stadt bringen, nur dort ist es sicher. Lasst Euch unterwegs von niemandem aufhalten und haltet Eure Mission geheim. Ich vertraue auf Euch."
Er nickte ihr noch einmal zu, machte eine schnelle Handbewegung, ein heller Lichtblitz in orangerot verglühte vor der Heldin - und der große Magier war verschwunden.
Méliánnya aber schaute noch einmal auf das wunderbare Leuchten Áyvynys, dann schlug sie es wieder in seine Schutzhülle ein und machte sich auf den Weg ins Tal, das Herz von Mut und blau erfüllt.
...Fortsetzung folgt...
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